Das Olympiajahr 1936 markierte den Urknall der Mercedes-Benz Mittelklasse, deren Baureihen sich in einem
großen Bogen bis heute spannen. 170 V hieß der Urahn, der den Motor vorne trug, im Gegensatz
zum 170 H mit Heckmotor. Es gab sich – typisch Mercedes – anspruchslos, grundsolide und
komfortabel. Das nüchterne Äußere verzichtet auf jene modische, verspielte Amerikanismen,
die in den dreißiger Jahren so beliebt waren.
Der Fortschritt lag unter dem Blech verborgen. Zwar konnte der seitengesteuerte, 1,7 Liter große
Vierzylinder mit seinen 38 PS keinen Innovationspreis gewinnen, dafür zählten ringsum einzeln
gefederte Räder damals keineswegs zum Standart. Neu war auch der Ovalrohrrahmen in X-Form, der sich
viel verwindungssteifer gab als die bisherigen Leiterrahmen. Er bot Basis für sieben unterschiedlichen
Aufbauten, mit denen der 170 V der Baureihe W 136 geliefert werden konnte. Von der viertürigen Limousine
bis zum zweisitzigen Roadster reichte die Palette.
Der Kriegsausbruch stoppte die Fertigung nicht, im Gegenteil. Für den Einsatz in der Wehrmacht wurde der
170 V bis 1942 gebaut und erreichte die für seine Zeit bemerkenswerte Stückzahl von 72.000 Exemplaren.
Damit war er zum Marktführer seiner Klasse geworden.
Als 1945 wieder Frieden herrschte, lagen auch die Werksanlagen in Trümmern. 80 Prozent waren zerstört,
glücklicherweise hatten jedoch die Fertigungseinrichtungen für den 170 V überlebt. So war der
Mittelklassewagen das einzige Modell aus der umfangreichen Vorkriegspalette, das wieder produziert werden sollte.
Der erste Nachkriegs-Mercedes war von der Ur-Serie aus den dreißiger Jahren kaum zu unterscheiden. Er rollte
1947 vom Band, in kleinster, vom Kontrollrat der Alliierten festgelegter Stückzahl. Im gleichen Atemzug wurde
die Endmontage aus dem Werk Untertürkheim nach Sindelfingen verlegt.
Von den variantenreichen Aufbauten, die es einst ab Werk gegeben hatte, überlebte exakt eine Ausführung:
Der 170 V, der den ersten vorsichtigen Schritt in ein zerstörtes Deutschland wagte, war eine Limousine –
ein viertüriger Innenlenker, wie es Mercedes-Benz beschrieb. Geliefert wurde er nur in schwarz, schon der
Mangel an Farbe ließ zunächst nichts anderes zu als diese Geste der Trauer. Die Cabriolets und Roadster,
die es auf 170 V-Basis gegeben hatte, gehörten zur Gattung Luxus und Spaß. Sie hatten keine Chance mehr
– im frühen Nachkriegsdeutschland standen andere Dinge im Vordergrund.
Wie klein die Stufen sind, die in diesen Jahren bereits als Fortschritt galten, beweist der Blick in die Chronik.
So wurde 1949 die Farbepalette verdoppelt: Neben Schwarz gab es jetzt auch Grau.
Ein Vorkammer-Diesel mit 38 PS stand im 170 D zur Wahl, und ab 1950 erschien der 170 Va, der den 45 PS starken
1,8-Liter-Block des 170 S – der in jenen bescheidenen Tagen bereits als Oberklasseauto galt! – unter
der vorderen Haube trug. Hinten erleichterte eine Modifikation den Einsatz der 170er im Alltag: Der Kofferraum
war nun von außen zugänglich. Im Mai 1952 erfolgte die Ablösung durch den 170 Vb und Db,
äußerlich an den beiden waagerechten Entlüftungskiemen der Motorhaube und an den einteiligen
Stoßstangen zu erkennen.
Rund 46.000 Benzin- und etwa 27.000 Diesel-Limousinen lieferte Mercedes-Benz bis Sommer 1953 aus. Dann löste
die viel geräumigere Karosserie des 170 S die bisherige Version ab. Auch sie saß jedoch auf dem Rahmen des
170 Vb/Db. Dieses Konglomerat hieß 170 S-V bzw. 170 S-D und fand weitere 18.000 Käufer. Bis 1955
noch waren die Mittelklassemodelle im Vorkriegs-Kleid im Angebot. |